IO-Newsletter 31.08.2014: Wutbürger

Liebe InfoOffensive,

ich bin ein bisschen hinterher mit den Zeitungen und Zeitschriften, daher ist der Artikel, über den ich mich heute geärgert habe, noch von Anfang August. Und es geht um den Begriff „Wutbürger“. Dieser wird offenbar heute für jede(n) verwendet, der seine Interessen vertritt. Vor allem dann, wenn diese den Interessen von Investoren entgegen stehen. Im konkreten Fall sind es MitstreiterInnen einer „IG Stadtentwicklung“. Hier muss ich als erstes zugeben, ich bin irgendwie auch nicht besser. Fühlte ich mich bei „IG“ doch sofort an die „IG Bürger“ erinnert und war irgendwie misstrauisch und voreingenommen. Nun, ich werde mich bemühen, in „IG“ künftig nur noch das zu lesen wofür es steht – eine Interessensgemeinschaft. Im vorliegenden Fall engagierte sich diese IG für die Innenstadt von Bad Münstereifel (Heinofans wohlbekannt) und gegen die Interessen der Investoren, die hier das erste „City-Outlet“ Deutschlands inzwischen eröffnet haben. Die Fachwerkhäuser der Innenstadt wurden sämtlich ziemlich heimlich an den Investor verkauft, die 800 Meter Fußgängerzone sind jetzt „Outletcenter“ mit zahlreichen Markenshops. Die Gemeinde ist dadurch genauso pleite wie vorher, da die Firmen ihren Hauptsitz natürlich nicht hier haben und die Filialen selbstverständlich keine zu versteuernden Gewinne abwerfen. Und wer das nicht gut findet und sich dagegen engagiert ist halt nach heutiger Definition ein Wutbürger. Der Artikel ist zwar nicht online erschienen, aber im Pressearchiv der „Wutbürger“ zu finden (der Stern-Artikel vom 7. August als Scan): http://stadtentwicklungbadmuenstereifel.jimdo.com/presse-aktuell/. Übrigens – sicher ist das nett, dass die etwas baufällig gewordene Innenstadt auf Kosten dieser Investoren restauriert wurde – aber ist das Konzept „Outlet“ wirklich nachhaltig? Eine humorvolle Betrachtung zu Outlet-Centern allgemein gibt es hier: http://www.ardmediathek.de/tv/extra-3/Klaus-erkl%C3%A4rt-Designer-Outlet-Center/NDR-Fernsehen/Video?documentId=11890552&bcastId=3709210

Wir werden es hier in Stuttgart auch erleben. Bei uns heißt das nicht „Outlet“ sondern „Gerber“ und „Milaneo“, weiter draußen „Breuningerland“ und wie sie alle heißen. Und wenn das nicht reicht zum „Shoppen bis zum Umfallen“ dann fahren wir halt nach Metzingen… Woher wir das Geld zum Shoppen nehmen? Ich weiß es nicht, darüber haben die Investoren nichts gesagt… Worüber sie auch nichts sagen – große Einkaufszentren gehörten lange zur amerikanischen Kultur. Doch auch hier hat sich die Kultur weiterentwickelt und die riesigen Malls sind vom Aussterben bedroht (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/einkaufszentren-in-den-usa-das-herz-der-konsumkultur-verrottet-1.1971519). Und auch in Großbritannien, wo man noch ein bisschen näher an den US-Trends ist als bei uns, ist diese Krise bereits angekommen. Hier eine Videodoku über eine Mall, die schon vor der Eröffnung leer und pleite ist: https://www.youtube.com/watch?v=gd_A0Nf8CsQ. Übrigens schützt auch ein historisches Gebäude nicht vor diesem Verfall, wie dieser Film über ein Einkaufszentrum in St. Louis zeigt: https://www.youtube.com/watch?v=SMyKSkZxkNY. Ein Trend übrigens, der offenbar auch China erreicht hat: http://www.thelowdownblog.com/2013/03/dead-mall-walking-worlds-largest.html. Da stellt sich die Frage: Müssen wir das wirklich auch am eigenen Leib erfahren?

Zurück zum Wutbürger – was ist denn das nun? Ich hatte ja gedacht, das seien halt wir hier in Baden-Württemberg. Weil wir nicht nur laut und ausdauernd mit Argumenten streiten, sondern weil wir uns ernsthaft „Wieder-Setzt“ haben, damals im Schloßgarten zum Beispiel. Oder bis heute beim Baustellenfrühstück. Weil wir nicht nur diskutiert sondern blockiert und besetzt haben. Weil gerade wir, als spießig verrufene Schwaben, uns so weit haben provozieren lassen, dass wir auf die Politik einen so unglaublichen Druck ausgeübt haben, dass sie sich ohne Rechtsbeugung jedweder Art, ohne Überschreitung vieler Grenzen, ohne Repression gegen „Normalbürger“ nicht mehr zu helfen wusste. So vieles kommt ja jetzt erst ans Licht (hier z. B.: http://www.kontextwochenzeitung.de/politik/178/den-joystick-druecken-und-schweigen-2392.html). Und wir sind ja noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen.

Und wenn der bloße Widerspruch gegen Investorengelder dafür ausreicht, bleibe ich wohl noch länger eine Wutbürgerin. Das hat auch Vorteile. Eigentlich mag ich keine verregneten Sonntage, doch heute, wo es schon wieder seit Stunden gießt, überlege ich – „steht wohl schon wieder Wasser in der S-Bahn?“ und wünsche mir schmunzelnd, der Regen würde noch ein kleines bisschen stärker: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgarter-hauptbahnhof-experten-suchen-undichte-stelle.49146ae3-ef3f-4651-bc47-e9f3f2546dab.html

Ansonsten ist das auch immer ein guter Tag zum Lesen:

Über S21: http://www.mainpost.de/ueberregional/politik/zeitgeschehen/Die-Trostlosigkeit-von-Stuttgart-21;art16698,8268120
Über den „Baustellenaushub“: http://www.bruchsal.org/story/10-millionen-kubikmeter-erdaushub-f%C3%BCr-bruchsal oder hier: http://www.swp.de/gaildorf/lokales/gaildorf/Aushub-von-Stuttgart-21-soll-nach-Wilhelmsglueck-Rechtsanwalt-beraet-Gemeinde;art5533,1943815
Über die Bahn: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.deutsche-bahn-ermittlungen-wegen-zugunfall-eingeleitet.8097a0b9-b90e-4cc5-a18e-b4a0e07ab15d.html
Und natürlich über den Wasserwerferprozess: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.s-21-wasserwerfer-prozess-polizisten-sind-bauernopfer.122774e3-a8c3-4f6c-b554-a5a97d1d4a43.html oder eine Auswahl: https://news.google.com/news?ncl=dRL_bOQgc6cd-3M3oO9VRYyh_TykM&q=stuttgart+wasserwerfer&lr=German&hl=de&sa=X&ei=uQIDVJ2KOMml0QX4sIHIDw&ved=0CCUQqgIwAA

Oder zum Fernsehen: http://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/wdr/2014/sendung-vom-16072014-114.html
Für einen Stadtrundgang mit Fluegel.tv: http://www.fluegel.tv/beitrag/9878

Oder, um einmal wieder eine Petition zu unterzeichnen: https://www.openpetition.de/petition/online/wir-fordern-eine-kennzeichnungspflicht-von-polizisten

Oder zum Plakate basteln – hier gibts Motive zur Anregung: http://infooffensive.de/2014/09/s21-ist/ Denn morgen ist ja wieder Demotag – egal, wie das Wetter wird: http://www.bei-abriss-aufstand.de/2014/08/29/die-236-montagsdemo-am-1-9/.

Die Kampagne Für ++ unsere Stadtbahn ++ geht auch in eine weitere Runde: http://www.bei-abriss-aufstand.de/2014/08/29/aktionswoche-der-stadtbahn-kampagne-vom-1-9-bis-7-9-mitmachen/

Bitte in den nächsten Wochen den +++ Demofahrplan +++ beachten: http://www.bei-abriss-aufstand.de/2014/08/11/demofahrplan-fuer-die-naechsten-montagsdemos/

Herzliche Grüße und – oben bleiben!
Andrea
für IO.KO

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IO-Newsletter 25.08.2014: Können wir den Kampf gewinnen?

Liebe InfoOffensive,

jetzt haben diese bösen Gegner es doch wieder getan – sie haben wieder einmal an die Öffentlichkeit gezerrt, was die Bahn gerne im Dunklen gelassen hätte: Die Sache mit dem Rostwasser in den blauen Rohren. Ja, es gibt Regeln und Grenzwerte. Und einen, der sich nicht an Regeln hält. Und einen weiteren, der Anzeige erstattet: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.streit-um-rostwasser-stuttgart-21-kritiker-erstatten-anzeige.6a38b6af-884b-48f4-918e-d99c49a4b94e.html. Schön erklärt hat das Hans Heydemann von den Ingenieuren22 in einem Fernsehinterview mit dem SWR: http://www.ardmediathek.de/tv/SWR-Landesschau-aktuell-Baden-W%C3%BCrttember/Rostige-Rohre-bei-Stuttgart-21/SWR-Baden-W%C3%BCrttemberg/Video?documentId=23046882&bcastId=254078.
Erstaunlich, dass das so gesendet wurde [Anm. 09.11.2014: Leider werden diese Beiträge auch sehr schnell wieder aus der Mediathek gelöscht] – da haben wir schon anderes erlebt. Und natürlich laufen die Kommentatoren in den Kommentarspalten Sturm (http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-bahn-muss-wasser-genauer-pruefen.472296f8-682c-4664-b632-90fdde642ffd.html), schließlich ist Eisen ja nichts schlimmes und überhaupt – würde die Bahn sich an die Regeln halten, das wäre ja viel zu teuer. Ach ja – am Rande bemerkt: Das EBA, dessen Aufgabe das ja wäre, muss erst einmal daran arbeiten selbst nicht in einem schlechten Licht dazustehen und erzählt von eigenen, unauffälligen Proben.

Ach übrigens: Da wir ja ohnehin schon die Bösen sind, sollten wir auch einmal mehr mit unseren Regierenden über die Einhaltung von Verträgen (aktuell: Koalitionsvertrag) korrespondieren. Die Kennzeichnungspflicht für Polizisten muss in Baden-Württemberg einfach umgesetzt werden. Und zwar ohne die von „Mr. Kritische Begleitung“ – Kretschmann angeregte Verwässerung „bei Extremfällen und bekannte, gewaltbereite Gruppen“ – denn zu diesen Gruppen gehören, wie wir ja wissen, alle, die sich der Politik in den Weg stellen – oder in den Schloßgarten setzen (http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/kennzeichnungspflicht-von-polizisten-verhaertete-fronten–88872995.html). Eine Petition gibt es hier: https://www.openpetition.de/petition/online/wir-fordern-eine-kennzeichnungspflicht-von-polizisten

Dass für die Bahn eigene Regeln gelten, das spüren wir immer wieder. Davon überzeugt ist auch Herr Dietrich, denn er erklärt, dass die Archäologen den im Schloßgarten entdeckten historischen Kanal nur so lange untersuchen dürfen, wie diese Arbeiten „im Bauablauf abgebildet“ werden können. (http://www.ardmediathek.de/tv/SWR-Landesschau-aktuell-Baden-W%C3%BCrttember/Historischer-Kanal-unter-S21-Baustelle/SWR-Baden-W%C3%BCrttemberg/Video?documentId=23030044&bcastId=254078) [Anm. 09.11.2014: Auch dieser Beitrag ist nicht mehr in der Mediathek verfügbar] Nun, ich habe Freunde, deren Haus auf dem Gebiet einer Römerstraße steht. Dort galten ganz andere Regeln. Das Land hat das neu ausgewiesene Bauland aus Kostengründen nicht untersuchen lassen. Das muss jeder Bauherr selbst tun. Also einen Archäologen beauftragen. Und dieser arbeitet dann so lange er das für notwendig hält. Vorher darf der Bau nicht begonnen werden. Aber bei der Bahn ist ja alles anders. Denn darüber, wie sich die ausstehenden Genehmigungen für GWM und Nesenbachdüker in diesem „Bauablauf abgebildet“ werden können, schweigt Herr Dietrich sich wohlweislich aus. Und das, wo er doch stets zu dem Punkt zurückkommt, dass alles nur eine Frage der Kommunikation ist – die die Medien leider nicht richtig beherrschen: http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-08/stuttgart-21-bahnhof

Im Juni habe ich mich gefragt, wann endlich dieses „Hinterher“ erreicht ist, an dem alle klüger sind. Für diese Familie ist das in Bezug auf Erdbohrungen und Gebäudeversicherungen schon eingetreten: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nach-den-erdhebungen-in-boeblingen-sie-wissen-nicht-wie-es-weitergehen-soll.9afc64db-0f50-4f00-b54f-08b5dccd72f7.html. Für die Politik gibt es selten ein „Hinterher“, denn es findet ja alles „vor der Wahl“ statt. Auch die Kostenschätzungen: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bauprojekte-kosten-bundesregierung-1-milliarde-euro-mehr-als-geplant-a-984158.html#ref=veeseoartikel

In Bezug auf S21 wurde auf BAA eine sehr lesenswerte Analyse von Wolfgang Sternstein veröffentlicht, die die Lehren aus unserer Bewegung mit der Bewegung in Whyl vergleicht und dabei viele strategische Fehler beleuchtet – von Schlichtung bis Volksabstimmung: http://www.bei-abriss-aufstand.de/2014/08/20/wolfgang-sternstein-kann-der-kampf-gegen-s-21-und-fuer-k-21-noch-gewonnen-werden/. Wir dürfen dabei natürlich nicht vergessen, diese Lehren hat auch unser Gegenspieler, die Politik, längst gezogen. Und das sehr wahrscheinlich mit Hilfe bezahlter Analysten. Also wird es die beste Bürgerbewegung schwer haben, immer die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit zu treffen.

Die Kernfrage der Analsyse lautet: „Kann der Kampf gegen Stuttgart 21 und für K 21 noch gewonnen werden?“. Nun, ich bleibe weiter optimistisch. Jemand (ich finde das Zitat grade leider nicht) sagte doch immer „Stuttgart 21 scheitert an sich selbst“ – und das ist doch im Hinblick auf die vielen offenen Fragen, die vielen ausstehenden Genehmigungen und die weiterhin fehlende Sinnhaftigkeit noch immer ein realistisches Szenario.

Also machen wir halt weiter +++ heute +++ am Montag ist Demo im Kernerviertel: http://www.bei-abriss-aufstand.de/2014/08/22/die-235-montagsdemo-am-25-august/. Und wer mittags schon Zeit hat: 13:30-17 Uhr: Der 13. Tag im Wasserwerfer-Prozess (Bundespolizist als Sachverständiger), Landgericht Stuttgart, Saal 18, UG, Eingang Olgastr. 2 (Ausweispflicht!).

Bitte in den nächsten Wochen den +++ Demofahrplan +++ beachten: http://www.bei-abriss-aufstand.de/2014/08/11/demofahrplan-fuer-die-naechsten-montagsdemos/

Herzliche Grüße und – oben bleiben!
Andrea
für IO.KO

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