Warum haben Regierungen Angst vor ihren BürgerInnen?

Liebe InfoOffensive,

wer nicht direkt von Hochwasser bedroht war, kam an diesem Wochenende nicht umhin, sich mit den Vorkommnissen in Istanbul und Frankfurt zu befassen. In +++ Istanbul +++ ging es zunächst um einen Park mit alten Bäumen, der einem Einkaufszentrum weichen sollte. Das klingt vertraut. Und die Polizei knüppelt den Protest im Auftrag der Regierung zusammen – auch das kennen wir hier aus trauriger Erfahrung. Gleich ist von „Wutbürgern“ die Rede (http://www.spiegel.de/politik/ausland/polizeigewalt-in-istanbul-a-903173.html), Präsident Erdogan wollte gegen den Protest „durchgreifen“ (http://www.spiegel.de/politik/ausland/istanbul-erdogan-will-gegen-demonstranten-durchgreifen-a-903215.html) bevor er dann auf Druck der Weltöffentlichkeit doch zurückrudern musste. Ein leitender Polizeioffizier wird zitiert „wischt sie alle weg“ http://www.taz.de/Baumschuetzer-in-Istanbul/!117221/

Ein Leserbrief in der STZ online nannte dies „Die Türkei hat ihre Visitenkarte für den EU-Beitritt abgegeben“ (http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.demonstration-in-istanbul-schwere-zusammenstoesse-mit-der-polizei.b07a9ae3-48d0-4a57-89a1-36b6977c7eb4.html) – mal sehen, ob er stehen bleiben darf. Es ist erstaunlich genug, dass die Ereignisse in Instanbul unseren Lokalblättchen bis zum Samstagabend nur einen einzigen Beitrag wert war. Immerhin wurde dieser dann noch mit einer Kurzmeldung über die Solidaritätskundgebungen in Stuttgart und Mannheim bereichert.

Ganze 2 Artikel gab es in der STZ auch zu +++ Blockupy Frankfurt +++. Weil das wohl einfach nicht sein soll mit diesen Bürgerprotesten. Wofür vor Ort im Regierungsauftrag die Polizei sorgen soll. Zum Beispiel, indem sie den Demozug stoppt, obwohl er sich auf seiner vorgesehenen Route befindet. Die Polizei spricht von „gewaltbereiten Vermummten“. Augenzeugen berichten dagegen, dass Anwohner die eingekesselten mit Getränken versorgten – warum sollten die sich mit Randalierern solidarisieren?

Attac schrieb auf Twitter, es gäbe keinerlei Verkehrssicherungen und Sperrungen im weiteren Verlauf der Demoroute. Weiterhin wird von der überraschend schnellen Anlieferung von Dixies berichtet: www.fr-online.de/rhein-main/blockupy-meldet-sich-zurueck–doch-der-protest-bleibt-stecken,1472796,23088396.html . Wie ist es zu erklären, dass die Polizei bereits im Vorfeld wusste, an welcher Stelle die „gewaltbereiten Vermummten“ das Eingreifen der Polizei erforderlich machen würden?

Die FAZ schreibt „Im Handgemenge wurden mehrere Personen verletzt, unter anderen auch ein Fotograf. Es dauerte fast eine Stunde, bis der Krankenwagen eintraf. Aus Wut über das Vorgehen der Polizei zündeten die Demonstranten, die sich über Stunden zunächst ruhig verhalten hatten, bengalische Feuer und schossen Feuerwerksraketen.“ http://www.faz.net/aktuell/politik/frankfurt-schwerverletzte-bei-blockupy-demonstration-12204307.html . Wie jetzt? Wurde der Demozug wegen den Feuerwerkskörpern aufgehalten oder war es doch umgekehrt?

Außerdem wird beschrieben, die Demonstranten hätten sich „mit Regenschirmen vermummt“ – dazu hätte ich gerne ein Bild gesehen. Was die passive Bewaffnung „mit Schildern“ angeht – da war ich schon schwerer bewaffnet auf Demos, denn mein Schild hat auch einen Holzträger, der sich so betrachtet gut als Schlagwaffe eignen würde….

9 lange Stunden dauerte der Polizeikessel. Einen recht interessanten Überblick gibt der Liveticker der Frankfurter Rundschau: http://www.fr-online.de/blockupy-frankfurt/blockupy-frankfurt-live-ticker-polizei-praesident-verteidigt-einsatz-,15402798,23082772.html

Wohin kommen wir, wenn unser +++ Grundrecht auf Versammlungsfreiheit +++ derart eingeschränkt wird, wenn man als BürgerIn nicht mehr gefahrlos für seine Überzeugung auf die Straße gehen kann?

Diese Angst vor den BürgerInnen, die Angst vor dem lautstark geäußerten Protest ist für mich ein Beweis dafür, dass er wirkt. Wir sollten Mut daraus schöpfen und uns bestärkt sehen in dem was wir tun: laut, sichtbar und dauerhaft protestieren. Denn auf die Dauer kann man uns nicht totschweigen, totschreiben oder wegignorieren.

Die nächsten +++ Gelegenheiten zum Mitmachen +++ stehen bereits vor der Tür:

Am +++ Samstag, 08.06.13 +++ startet in Kehl die „Kritische Bohrerbegleitung“: http://www.bei-abriss-aufstand.de/2013/05/30/stuttgart-21-ruiniert-das-land-auftaktkundgebung-zur-kampagne-gegen-tunnelbohrer/

Am +++ Samstag, 15.06.2013 +++ gibt es die nächste Große Kundgebung auf dem Schloßplatz in Stuttgart mit anschließendem Demozug (http://infooffensive.de/2013/05/wehrt-euch-vernetzt-euch/). Bitte +++ Werbung machen +++ und Flyer verteilen – die gibt es an der Mahnwache.

Von Klaus Riedel aus Waiblingen erreichte uns folgender Aufruf, der sich an alle richtet, die an einem denkwürdigen Montagabend beim GWM waren: „Wir, die dabei waren und das Gelände begangen (nicht besetzt) haben, suchen andere, die sich ebenfalls dazu bekennen wollen. Falls ihr euch dazu bekennen wollt möchte ich euch bitten, sich bei mir mit Kontaktdaten zu melden. Es sind auch andere Bekenner dabei (Sittler etc.). Dieter Reicherter prüft gerade die Rechtslage einer solchen „Selbstbekennung“. Wir schicken also niemand ins Feuer. Keine Angst. Meldet Euch bei klaus.riedel-wn (aet) gmx (punkt) de „.

Wir sehen uns bei der +++ Montagsdemo +++, am 03.06. noch einmal auf dem Marktplatz, danach zieht die Demo wieder vor den Kopfbahnhof!

Oben bleiben – kritisch bleiben!

Andrea
für IO.KO

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Wenn ich Meinungen machen könnte…

Liebe InfoOffensive,

ein recht banales Gespräch hat mich zum Nachdenken gebracht. Es ging um eine Limo, die ich einer Freundin im Rheinland empfehlen wollte. Diese Limo gibts im Biomarkt. Ihre Antwort „in unseren Biomärkten kaufen nur sauertöpfige frustrierte Hausfrauen mit zotteligen Haaren und Birkenstocksandalen ein“. Naja, so ähnlich jedenfalls 😉 Hm… aus eigener Anschauung kennt sie das sicher nicht – sie ist beruflich sehr erfolgreich, Single und ihr Arbeitgeber bietet ihr eine Kantine mit gutem Essen. Das heißt, sie kauft kaum Lebensmittel ein. Woher also hat sie diese Meinung? Und warum musste ich dabei an uns „WiderständlerInnen“ denken?

Wir wurden von Beginn an als Fortschrittsverweigerer, als Ewiggestrige, als linksradikale HartzIV-Empfänger diskreditiert – ich kann gar nicht mehr alle Beleidungen aufzählen, die mir in den letzten Jahren begegnet sind. Es gipfelte – daran erinnern sich sicher noch viele – in „alte gefrustete Weiber mit ungepflegten Haaren“ und „nach altem Schweiß stinkende, rumbrüllende Männer“ (http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/fdp-politiker-beleidigt-stuttgart-21-gegner-gefrustete-weiber-mit-ungepflegten-haaren/7260720.html). Dieses Bild – naja, zumindest das vom linken Fortschrittsverweigerer – ist in ganz Deutschland über uns bekannt. Wie geht das eigentlich?

Interessant ist, es trifft wirklich jeden, der sich gegen etablierte Systeme stellt, bzw. der sie in Frage stellt. So werden auch die Gegner des Stromtrassenausbaus als „Gegner der Energiewende“ bezeichnet, womit wir sie direkt in den Club der „Fortschrittsverweigerer“ aufnehmen können. Doch dass es beim geplanten Netzausbau in erster Linie gar nicht so sehr um die erneuerbaren Energien geht hat einmal die TAZ am Beispiel der Thüringer Strombrücke dargestellt: http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2013%2F04%2F27%2Fa0170&cHash=9ea32ca30635278732d6a791b195e708 und zum anderen kommt auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zu dem Ergebnis, dass in absehbarer Zeit gar keine Engpässe in der Energieversorgung zu erwarten sind. In einer aktuellen Pressemitteilung zeigt man sich zudem überrascht, dass die Einspeisepunkte der geplanten „Stromautobahnen“ ausgerechnet an traditionellen Kohlestandorten geplant werden. Sehr aufschlussreich: http://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.421278.de.

Wer macht eigentlich diese Meinungen? Und wie werden sie so wirkungsvoll verbreitet? Eine Antwort auf die Frage habe ich nicht – aber wenn ich den aktuellen Artikel in der Kontext über die „Verarmung der Nachrichtenwelt“ lese, wird klar: Es wird sicher nicht besser werden, wenn es nur noch eine große Nachrichtenagentur in Deutschland gibt: http://www.kontextwochenzeitung.de/denkbuehne/112/meinungsmache-458.html . Übrigens beschäftigen sich auch die Nachdenkseiten aktuell mit Meinungsmache http://www.nachdenkseiten.de/?p=17349# – schließlich hat auch der Wahlkampf bereits begonnen. Auch daran zu erkennen, dass die für S21 geplanten Enteignungen (http://www.radio-utopie.de/2013/05/13/172-stuttgarter-montagsdemo-keine-enteignung-fur-stadtzerstorung/) auf „nach der Wahl“ verschoben werden: http://www.bei-abriss-aufstand.de/2013/05/22/hausenteignung-fur-s21-soll-wahlkampf-von-frau-merkel-nicht-storen/

Wenn ich Meinungen machen könnte, würde ich aktuell wohl bei Herrn Schäuble anfangen. Ich traute meinen Augen nicht als ich lesen musste, dass in seiner Welt die Bürger die Schuld an den deutschen Großprojekt-Desastern tragen: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/05/23/schaeuble-bevoelkerung-ist-schuld-an-stuttgart-21-und-berliner-flughafen/ . Einen lesenswerten Kommentar zum kompletten Interview gibt es hier: http://eurodemostuttgart.wordpress.com/2013/05/24/kommentar-zu-schauble-die-burger-selbst-wollen-doch-die-diktatur/, das Interview hier: http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/muenchner-runde/schaeuble-europa-baustellen-100.html

Wir werden sehen, wer am Ende Recht behält – und wir sind noch lange nicht am Ende. Daher:

+++ Mitmachen +++

Am +++ Samstag, 15.06.2013 +++ gibt es die nächste Große Kundgebung auf dem Schloßplatz in Stuttgart mit anschließendem Demozug (http://infooffensive.de/2013/05/wehrt-euch-vernetzt-euch/). Bitte +++ Werbung machen +++ und Flyer verteilen. Nehmt Euch gleich morgen nach der Demo welche von der Mahnwache mit!

Bei der Gelegenheit könnt Ihr auch den +++ Flyer der Ingenieure22 +++ zur Leistungsfähigkeit mitnehmen und verteilen: http://ingenieure22.de/images/publikat/was_leistet_stuttgart_21_wirklich.pdf

Habt Ihr Euch schon zum 3. Europäischen Forum gegen unnütze Großprojekte angemeldet? http://drittes-europäisches-forum.de/schon-zum-forum-angemeldet/

Wir sehen uns bei der +++ Montagsdemo +++, am 27.05. unter anderem mit Dr. Christoph Engelhardt, WikiReal.org zum Thema „Enteignung trotz Leistungslüge?“. Einen Update zum Stand der Enteignungsverfahren wird Dr. Eisenhart von Loeper bei der +++ Montagsdemo am 3. Juni +++ geben.

Herzliche Grüße und -oben bleiben!

Andrea
für IO.KO

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