IO Newsletter 19.03.15: Von außen betrachtet: Gestern in Frankfurt

Liebe InfoOffensive,

gestern hatte ich wenig Zeit, die Nachrichten zu verfolgen. So kamen über EZB und Blockupy nur Bruchstücke bei mir an. Und irgendwie hatte ich trotzdem dieses Dejà-vu Gefühl. Es war von „Bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ die Rede, von brennenden Autos und Barrikaden, von entsetzten Politikern und was weiß ich. Und irgendwann am Abend höre ich in einem Interview jemanden sagen „Es wurde schon Tränengas eingesetzt bevor irgend etwas passiert war“. Sicher, brennende Autos sind immer blöd – ich bin da auch kein Fan. Aber kann es nicht doch sein, dass es genau diese Eskalation ist, auf die es hinauslaufen soll? Damit in den Medien genau diese Bilder gezeigt werden und kein Wort über die politische Auseinandersetzung verloren werden muss? Und wie war das noch mit den Falschmeldungen der Polizei im Umfeld der Castortransporte – wir haben alles schon gesehen. Also bin ich schon einmal misstrauisch.

Mittags, beim Blick in die Zeitung, Berichte über 300 – 350 festgehaltene Demonstranten. Und wieder bin ich misstrauisch – alle 350 Personen waren nach Angaben der Polizei an Sachbeschädigungen beteiligt. Alle gleichzeitig? Ich frage mich, wer die alle hätte koordinieren sollen? Ein Flashmob vielleicht?

Ärgerlich, dass Zeitungsartikel ständig umgeschrieben werden. Ein Beispiel: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.blockupy-in-frankfurt-krawalle-rund-um-die-ezb.4d19d345-4364-4107-9630-a716a0545bd1.html . In diesem Artikel habe ich irgendwann am Vormittag gelesen, diese 300 Demonstranten seinen festgesetzt worden, aber ein Polizeisprecher betonte, dass es sich nicht um einen Kessel handelt. War wohl nicht haltbar, diese Aussage. Und auch das Schäuble-Zitat: „Niemand hat das Recht, Polizei- und Feuerwehrbeamte an Leib und Leben zu gefährden.“ ging gestern noch weiter – er hatte betont, die Menschen hätten ausreichend andere Möglichkeiten, gehört zu werden. Offenbar gab es hier zuviel Widerspruch. Nicht allerdings dagegen, dass dieses Recht auf Unversehrtheit nur für Beamte gelten solle.

Abends im SWR höre ich ein Interview mit Bankern, die „in zerrissenen Jeans und Lederjacken zur Arbeit mussten“ – weil sie sich dem Druck dieses Mobs nicht aussetzen wollten. Ob diese Herrschaften sich einmal ausgemalt haben, welchem Druck sie ausgesetzt würden, wollten sie in diesem Outfit einen Kredit von ihrem eigenen Arbeitgeber? Sieht wirklich niemand, welche Provokation allein das Gebäude ( http://www.spiegel.de/fotostrecke/proteste-ezb-eroeffnung-blockupy-in-frankfurt-fotos-fotostrecke-124842-20.html ) für all diejenigen sein muss, die nichts „vom Kuchen abbekommen“, die kleinen Leute die mit ihrem Geld für Bankenrettungen aller Art geradestehen, die die Sparprogramme der EZB ausbaden?

Aber nein, die Kritik an Griechenland-Sparpolitik und damit an der EZB wird nicht mehr thematisiert. Politik und Medien konzentrieren sich auf alles was nach Kriegszustand klingt – von Ausschreitung bis Randale wird alles, was nach unmotivierter Gewalt klingt, schwungvoll abgedruckt. Kein Bild eines Banners ist präsent, Forderungen werden nur am Rande erwähnt – gezeigt werden schwarz gekleidete unkenntliche Menschen – mit und ohne Helm.

Natürlich, der Schwarze Donnerstag war da eine ganze Nummer kleiner – sparsam und schwäbisch und eben nicht international. Aber war es im Kern nicht genauso? Hat man nicht von Beginn an versucht, jede Inhaltsdiskussion zu verdrängen? Und, wenn wir jetzt den Blick heben – hätte das in Städten wie Frankfurt oder Berlin nicht auch problemlos funktioniert? Es war am Ende doch nur der provinzielle Touch, der uns – wir können alles außer Hochdeutsch – davor bewahrt hat, noch weiter im Abseits zu stehen.

Wir werden sehen was am Ende bleibt. Für den „normalen“ Zeitungsleser natürlich die schrecklichen Bilder, die Nachrichten über Ausschreitungen am Morgen und die am Rande erwähnten friedlicheren Protesten am Abend. Die Wahrheit erschließt sich nur für den, der später die vielen kleinen Meldungen liest, in denen ein bisschen Wahrheit ans Licht kommt. So, wie schon im Sommer 2013 zu Blockupy: http://infooffensive.de/2013/06/warum-haben-regierungen-angst-vor-ihren-buergerinnen/ . Oder besser noch 2012, als es am Ende der Panikmache nur noch 2 Verfahren wegen Beleidigung gab: http://www.fr-online.de/frankfurt/frankfurt-blockupy-randale-ohne-folgen,1472798,17284466.html

Ach ja – und bei uns? Bei uns wird nichts mehr ans Licht kommen, Herr Stumpf zahlt und tritt endgültig ab: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.reaktionen-auf-stumpfs-entscheidung-enttaeuschung-ueberwiegt.96dcafda-9a2b-435d-a807-30847a902bfa.html . Die Taten sind bald verjährt. Wenigstens wurde ein Teil dokumentiert. Kann man nachlesen – und zum Nachlesen verschenken: http://www.osiander.de/webdb/index.cfm?osiaction=details&artid=9783000486593&source=UWK . Das Buch ist auch an der Mahnwache erhältlich.

Ach ja: Danke, Nina für dieses Bild: https://pbs.twimg.com/media/CAZP92sWQAAFSfR.jpg:large

Herzliche Grüße und -oben bleiben!

Andrea
für IO.KO

Dieser Beitrag wurde unter IO-Newsletter veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.